Mönchberg

Saustall unter Grüner Ägide STEPHAN (Flüchtlingslager Mönchberg), Sonntag 12.10.14, 11:00 Uhr: Die Unterkunft in Mönchberg war uns angekündigt worden als eine, bei der einiges im Argen liege. Ein ehemaliger Gasthof, in dem 44 Flüchtlinge untergebracht seien. Viel klarer waren unsere Auskünfte nicht, doch wir beschlossen der Einrichtung einen Besuch abzustatten. Eine Bekräftigung erfuhr dieser Entschluss, als wir am Freitag eine E-Mail aus dem Büro des Landrats des Kreises Miltenberg erhielten. Dem sei „beiläufig“ zu Ohren gekommen, dass wir die Unterkunft in Mönchberg besuchen wollten. Von der Pressesprecherin werden wir gebeten, von diesem unangekündigten Besuch abzusehen, auch würde unser Besuch eine Person in der Unterkunft gefährden. In einer weiteren E-Mail wurde dann allen Ernstes an unser christliches Verständnis appelliert: am Sonntag würde die Verwaltung nicht arbeiten. Gleichwohl würde man uns den Besuch verwehren, sollten wir an der Absicht festhalten. Wir erreichen Mönchberg gegen Mittag, und befinden uns in einem eher verschlafen wirkenden Örtchen. Der Gasthof „Zum Hirschen“ liegt an der Hauptstraße. Er ist nicht mehr durch ein Gasthaus-Schild zu erkennen. Drei Menschen, die auf der Treppe vor dem Haus stehen, bestätigen uns aber, dass es sich um die Unterkunft handelt. Wir treffen Kerstin Richmond vom Freundeskreis für Flüchtlinge in Unterfranken. Kein Landrat, der uns den Eintritt verwehrt, auch ein Hausmeister ist nicht zu sehen. Gemeinsam gehen wir ins Haus, und werden in der Gaststube schon von einem guten Dutzend Flüchtlinge empfangen. Was nun folgt, ist uns auf der ganzen Tour noch nicht passiert: Ein Flüchtling nach dem Anderen trägt uns Beschwerden und Ereignisse vor, die teils dem entsprechen was wir aus anderen Einrichtungen kennen, teils aber auch deutlich darüber hinaus gehen. Zum Üblichen zählt die Beschwerde über das Essen. Wir schauen uns an, was an Mittagessen aufgefahren ist. Eine Vietnamesin zeigt auf zwei Edelstahlkübel, einer mit Reis, einer mit Hähnchenschenkeln in gelber Soße, dazu ein paar Scheiben Weißbrot und einen Apfel pro Person. Wir erfahren, dass es morgens wie abends Käse, Salami, Brot und Butter gibt, tagein tagaus. Gestern allerdings gab es wohl Apfelstrudel in Vanille soße. Das Essen sieht nicht richtig schlecht aus, aber wir erfahren, dass das Haltbarkeitsdatum auf den Wurst- und Käseverpackungen häufig weit überschritten ist. Und wer gezwungen ist, sich mehrheitlich von diesem Essen zu ernähren, ist nicht zu beneiden. Mehrere Mütter und Väter berichten uns überdies, dass die kleinen Kinder das nicht essen würden. Alternativen gebe es aber keine. Eine Mutter, eine Iranerin, zeigt uns ein Schreiben eines Kinderarztes, der dem Fünfjährigen Verdauungsproblem e bescheinigt und dringend eine kindgerechte Ernährung empfiehlt. Passiert ist nichts. Auch Kochplatten sind verboten. Der Hausmeister habe gesagt, wenn jemand eine Kochplatte anschafft, dann rufe er die Polizei. Der Gasthof verfügt über eine komplett ausgestattete Küche, doch die Küchentüre ist versperrt. Nur die Küchenhilfe, die das angelieferte Essen verteilt, hat einen Schlüssel und darf die Küche betreten. Manche Dinge wären so einfach zu lösen. Nicht ganz so üblich ist der üble Geruch, von dem uns eine Bewohnerin erzählt, und den wir selbst feststellen, als sie uns in ihr Zimmer im ersten Stock führt. Ein schwerer, säuerlicher Geruch hängt in der Luft. Im Zimmer gegenüber ist festzustellen, wo ein Somali gewohnt hat, der aber nun nicht länger dort ist, können wir den Ursprung des Geruchs lokalisieren. Er kommt aus dem Lüftungsschacht der Toiletten. Ein Iraner weiß Bescheid. Er führt uns ins Erdgeschoss, wo hinter einem Garagentor der gesammelte Müll über die Woche gelagert wird. Unerträglich riecht es hier, und zieht in die Zimmer oberhalb. Überhaupt wird viel verboten in der Unterkunft, und viel gedroht. Mehrere Verbotsschilder untersagen das Betreten des Hauses, das Betreten der Küche oder des Kellers, und den Konsum von Alkohol. Und die Sozialbetreuung, fragen wir? Gibt es niemand, der sich hier um Verbesserungen kümmert? Ein Mann aus dem Iran deutet an, was die Betreuung ausrichtet, indem er die Hände in die Taschen steckt. Er sagt zwar Caritas, weil wir nach der Caritas fragen, aber wir werden aufgeklärt, dass es dort keine Betreuung durch einen der Wohlfahrtsverbände gibt. Das Haus wird von einem Verein getragen, und der ist für alles, Unterbringung, Verpflegung und Sozialberatung zuständig. Über diesen Verein, San Giovanni Onlus e.V., ist zunächst nichts zu erfahren. Wenn alles aus einer Hand angeboten wird, dann ist es allerdings schwierig, sich über irgendetwas zu beschweren. So werden wir mit Geschichten überhäuft, in denen es darum geht, dass sich die Sozialbetreuung nicht darum kümmert, dass behandlungsbedürftige kranke Flüchtlinge zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen können. Die Bedrohung kommt vom Amt. Mehrere Flüchtlinge berichten uns unabhängig voneinander, dass ihnen bei verschiedenen Gelegenheiten mit Abschiebung gedroht wird. „Wenn Du nicht Ruhe gibst, ich habe Dein Abschiebepapier hier in der Schublade“ – „Wenn Du mit der Frau Richmond von der Initiative redest, dann kannst Du packen, dann schieben wir Dich gleich ab“. Dieses Drohverhalten ist eine krasse Überschreitung der Kompetenzen durch Mitarbeiter im Landratsamt. Auch das Landratsamt kümmert sich nicht um kranke Flüchtlinge. Eine junge Frau hat einen raren Platz in einem Deutschkurs in Aschaffenburg ergattert. Nun hat sie aber einen kleinen Sohn, der Betreuung braucht. Es dauert lange, bis man von Mönchberg nach Aschaffenburg kommt, deshalb wäre eine Umverteilung nach Aschaffenburg oder in eine näher gelegene Unterkunft eine riesige Erleichterung. Im Sozialamt, so die junge Frau, sagt man ihr, dass das ihr Problem sei. Wenn sie es nicht schaffe, dann solle sie halt zu Hause bleiben. Willkommenskultur auf Unterfränkisch? Wir glauben unseren Ohren nicht zu trauen. Was uns berichtet wird, summiert sich zu einer Generalanklage gegen den Betreiberverein und das Landratsamt, das pikanterweise mal von einem der ersten grünen Landräte in Bayern, Jens Marco Scherf, geleitet wird. Uns ist nach dem Besuch der Unterkunft in Mönchberg klar, warum wir vom Landrat heftige E-Mails bekommen haben, die uns davon abhalten sollten, eben diese Unterbringung zu besuchen.