Schwabhausen

Großer Bahnhof in Schwabhausen MATTHIAS (Flüchtlingscontainer, Schwabhausen), Dienstag 7.10.14, 12.00 Uhr: Als wir den Ort Schwabhausen durchfahren bietet sich uns eine einprägsame Szenerie. Zwischen Wertstoffhof und Friedhof befinden sich zwei Reihen grauer Blechcontainer. Die Wohncontainer wurden buchstäblich auf die grüne Wiese gestellt. Und offensichtlich in höchster Eile. Man erkennt noch das planierte Erdreich und den aufgeschütteten Kies und kann gut erahnen, dass sich hier vor Kurzen noch ein Stück Ackerland befunden haben muss. An den Containern lehnen einige Räder, vor dem Eingang der linken Containerreihe befindet sich eine kleine Ansammlung diverser Plastikstühle sowie aussortierte Fernseher und auf dem Kiesstreifen zwischen den Blöcken steht eine etwas verloren wirkende Kinderrutsche. Vor dieser Kulisse hat sich ein amtliches „Begrüßungskommittee" eingefunden. Zwei Caritas-Beraterinnen, der Pressesprecher des Landkreises Dachau, der Schwabhauser Bürgermeister, ein Journalist des Münchner Merkurs, ein Kameramann vom BR sowie eine größere Gruppe ehrenamtlicher Helfer und Helferinnen. Dazwischen sind tatsächlich auch noch einige BewohnerInnen auszumachen. So telefoniert eine somalische Frau in 50 m Entfernung am Feldesrand und ein kleines Häufchen Kinder spielt Frisbee. Wir werden also zumindest teilweise erwartet. Eigentlich wollten wir lediglich den Bewohnerinnen und Bewohnern einen kurzen Besuch abstatten und von ihnen erfahren, wie es ihnen in Schwabhausen ergeht. Doch das angereiste Fernsehteam hatte am Tag zuvor bei der Regierung von Oberbayern eine Drehgenehmigung beantragt, und so machte die Kunde von unserem geplanten Besuch die Runde. Wir müssen umdisponieren. Es erweist sich als Glücksfall, dass wir heute als fünfköpfiges Recherche-Team unterwegs sind, denn wir können alle bedienen: Einer unterhält sich mit den Vertretern von Landkreis und Kommune, zwei andere tauschen sich mit den Caritasbetreuerinnen und den Leuten von den diversen Helferkreisen aus und der Rest von uns kann sich mit aller Ruhe mit Bewohnerinnen und Bewohnern unterhalten. Ich sehe mich um. Die Container sind augenscheinlich neu und wirken noch wenig abgewohnt. Wer schon schon einmal in einem Container gewohnt oder gearbeitet hat, weiß, die Tücke liegt im Detail: In den 12qm Zimmern gibt es praktisch keinen Schallschutz. Man hört also sämtliche Geräusche zu jeder Tages- und Nachtzeit ob man will, oder nicht. Zudem sind die Metallcontainer schlecht isoliert. Einfach gesagt: Im Sommer heiß – im Winter kalt. Eine Cartasberaterin spricht mich im Gang an. Wir kommen ins Gespräch. Von ihr erfahre ich, dass sie wöchentlich für etwa eine Stunde die Unterkunft betreut. Sie ist für eine ganze Reihe von Unterkünften im Landkreis zuständig. Danach habe ich die Gelegenheit mich mit drei ehrenamtlichen Helfern, einer Dame und zwei Herren zu unterhalten. Von Ihnen erfahre ich Folgendes: Die Unterkunft gibt es seit knapp einem Monat. Derzeit leben dort 48 Personen. Ein Containerblock wird fast ausschließlich von alleinstehenden Männern, ein zweiter von Frauen und Familien bewohnt. Einige der männlichen Bewohner haben bis vor kurzen noch im benachbarten Innersdorf in der örtlichen Tennishalle gewohnt. Tennishalle? Eine Frau vom Innerdorfer Helferkreis erklärt mir, wie man sich das vorstellen darf: Die große Halle wurde mit Hilfe von Bauzäunen und Planen unterteilt und alle „wohnen" in einem gemeinsamen Raum –teilweise über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Die Ex-Innersdorfer Tennishallenbewohner freuen sich verständlicher Weise über die ungewohnte Privatsphäre der Schwabhauser Container. Dennoch möchten viele von ihnen so schnell wie möglich nach Innersdorf zurück. Sie haben dort ihre soziales Netzwerk geknüpft und teilweise sogar Arbeit gefunden. Es fällt ihnen wirklich schwer, die zehn Kilometer von Schwabhausen nach Innersdorf täglich irgendwie zu meistern. Das Landratsamt möchte diesen Rückzug auch ermöglichen, sobald in Innersdorf die geplante Containerunterkunft fertiggestellt ist, zumindest wurde das den Bewohnern zugesichert. Ich erkundige mich wie die Alt-Schwabhauser denn die Neu-Schwabhauser aufnehmen. Laut Peter Spieker vom Schwabacher Unterstützerkreis ist die Stimmung in Schwabhausen überwiegend positiv. Bereits 25 Personen haben sich dem örtlichen Helferkreis angeschlossen. Heinrich Fitger vom Innersdorfer Helferkreis berichtet mir von einem jungen, traumatisierten Mann, der sich völlig in sich zurückgezogen habe. Gemeinsam überlegen die drei wie ihm zu helfen sei. Von Herrn Reichelt, seines Zeichens Büroleiter des Dachauer Landrats gesellt sich zu unserer Runde. Von ihm erfahre ich, dass mittlerweile über 300 Flüchtlinge im Landkreis untergebracht worden sind und das Landratsamt dies meist äusserst kurzfristig bewerkstelligen muss. Es fängt zu regnen an. Die Caritasberaterinnen, der Bürgermeister, der Landrat und auch die ehrenamtliche Hellferinnen und Helfer besteigen nach und nach ihre Autos und entfernen sich. Wir und die Neu-Schwabhauser Bewohnerschaft bleiben zurück. Jetzt bekommen wir einen kleinen Eindruck, was es heißt hier zurückbleiben zu müssen. es wird augenblicklich sehr ruhig, einige Bewohner trauen sich aus ihren Zimmern. Ein kleiner Junge haut unermüdlich mit einer Eisenstange auf den Kies. Die Szenerie wirkt eigenartig verloren und unwirklich.